Von einem Mädchen, das in der "Hüttenzeile" oberhalb unserer Behausung wohnt und welches einige Male mit der französischen Studentin Anne-Laure geredet hatte, wurden wir am letzten Freitag Abend kurzfristig auf 19 Uhr zu "Kuchen" eingeladen. Zusammen mit ihr gingen wir hoch und befanden uns alsbald in einem kleinen "Wohnzimmer", in dem bereits ein ganzer Kreis an Frauen von ca. 17 bis 50 Jahren am Singen, klatschen und tanzen war - und in deren Reihen eingefügt wir auch bald anfangs etwas perplex am mitklatschen und mitwippen waren. Eine jüngere Frau sang eine Leadstimme, die restlichen antworteten im Chor darauf. Regelmässig wurde das Singen von einer hastig enthusiastisch-laut vorgetragenen Gottespreisung durch eine der Frauen unterbrochen und durch ausladende Gestik unterstrichen. Gleich darauf brüllten all die anderen mit geschlossenen Augen und noch wilderem Händegefuchtel eine Art Vater-Unser raus, jede in ihrem eigenen Rhythmus. Danach begann das Singen wieder, um alsbald wieder von einem Gebets-Intervall abgelöst zu werden. Es war tröstend, dass nicht nur uns, sondern auch den ganzen anderen Frauen der Schweiss in Strömen runterfloss. Da wirkte auch der kleine Junge nicht besonders "kühlend", den ich während der folgenden Predigt auf den Knien hatte, während wir jeweils zu mehreren auf den den Wänden entlang stehenden Stühlen sassen. Die Predigerin hielt zwar irgendein Buch in den Händen, die Predigt war jedoch frei und über was ganz anderes; in Kurzfassung: sie sei selbst eine Ausgestossene gewesen, sei zu den Tradi-Practiciens gegangen, habe 3 Kinder nacheinander verloren bis sie Gott in ihr Herz gelassen hätte. Die Tradi-Practiciens (= Ngangas, Féticheurs, Marabouts, Charlatans) seien schlecht. Das ganze wirkte zeitweise für uns eher wie ein Konzert: "ihr, die ihr heute abend gekommen seid, spürt ihr, dass Gott heute da ist??" - "Ja" (im Chor) - "Spürt ihr, dass er heute bei euch ist?" - "Ja" (im Chor). "Diejenigen, die die Anwesenheit Gottes noch nicht spüren können, sollen aufstehen - wir werden euch helfen". Ich blieb ehrlicherweise mit zwei anderen stehen und wollte schauen, was nun kommt. Wir wurden darauf gebeten, jeweils die in Teilsätzen vorgetragenen Worte zu wiederholen um damit Gott anzurufen. Danach wurden diejenigen die an etwas litten oder ein Problem hatten in die Mitte gebeten und sollten kurz den 3 "Leiterinnen" das Problem schildern. Darauf wurden ihnen je eins zu eins Segnungen ins Ohr gebrüllt, teilweise abgewechselt von einem ekstatischen "aratttata-ratatatatatatata-aaaratatatata" untermalt von ihren sich in Ekstase verrenkenden Körpern, teilweise immer wieder von einem Jungen gestützt, damit sie dabei nicht umfielen. Eine der so behandelten jungen Frauen (in Jeans und engem Shirt) ging in Trance zu Boden, wo sie alsbald von zwei der "Leiterinnen" weiterbearbeitet wurde. Einerseits, befahlen Sie dem Bösen, das Mädchen zu verlassen, andererseits wurden Benedictionen über sie gesprochen. Alles in lauter Stimme, von wilder Gestik begleitet, niedergebeugt zu dem am Boden liegenden Mädchen, das sich teiweise krampfartig wand, als kämpfe es mit diesem "Bösen", das durch die Stimmen gezwungen wurde, den Körper zu verlassen. Irgendwann stand es wieder auf, wurde hochgezogen und sass dann reichlich betäubt für einige Zeit auf einem Sofa, während das Singen-Beten wieder weiterging. Mangels Instrumenten wurde irgenwann von unserer "Gastgeberin" ein Plastikkübel hervorgekramt, auf dem mit irgendeinem Schlag-Werkzeug und den Händen der Begleitrhythmus kreiert wurde. Auf der die Wohnungen verbindenden Terasse vor diesem Wohnzimmer hatte sich inzwischen eine dicke Traube weiterer Zuschauer gebildet, die mangels Platz im Zimmer von dort aus am Culte teilnahmen. Irgendwann war das Singen zu Ende und es wurden "Jus" (was hier heisst: Cola, Fanta oder D´jino) sowie kleine Kuchen und Snacks verteilt. Wir wurden zum Abschied geküsst, überschwänglich umarmt, alle waren völlig aus dem Häuschen - "bis zum Culte am Sonntag"!
"Aujourd´hui c'est le culte des femmes, le dimanche c'est le grand culte de tout le monde!" Dies war also unsere "Einladung zu Kuchen" - mit ein bisschen was dazu. Aber DAS ist das Afrika, das ich kennen lernen will.
20 November 2006
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