22 Dezember 2006

L´hôpital A. Schweitzer en grève

Wie Freitags üblich, ging ich morgens als erstens zum Salle de Cours in der Poliklinik, wo jeweils die Röntgenvorstellungen stattfinden - nach einem Fast-Food-Frühstück wegen der leiden Snooze-Funktion meines Natel-Weckers. Ich stand allerdings vor verschlossener Tür. Im Wartesaal der Poliklinik war der Direktor per interim bereits daran, die wartenden Patienten hinauszujagen, Bänke wurden umgestellt. Während sich das Spitalpersonal auf den Bänken versammelte wurde in der Saalmitte noch eine Tafel aufgestellt. In einer halbstündigen Erklärung schlug Patrick (eben der Direktor per interim vor), dass das Personal auf den Ende-Jahr-Bonus verzichten solle, um die Löhne im Februar noch garantieren zu können. Offenbar wurden in der Vergangenheit (soweit ich verstanden habe, nach einem anderen Streik) die Löhne um 40% erhöht. Die von der Regierung zugesagten zusätzlichen 40% an Subventionen blieben aber bisher aus. Man muss wissen, dass nach dem Abgang des Direktors im Sommer diesen Jahres ein neuer Direktor folgte, der offenbar nach ziemlich kurzer Zeit auf ziemlich komische Weise den Bettel warf; als ich in Libreville ankam, traf ich ihn gerade noch, wie er zu einer Konferenz richtung Frankreich aufbrach. Nach einer Woche sollte er eigentlich zurück sein, kam aber nicht wieder. Irgendwo wurde offenbar Patrick ausgegraben, der die Leitung per interim für 6 Monate übernehmen sollte. Der vorletzte Direktor hatte ein gewaltiges Finanzloch hinterlassen und die internationale Fondation besteht ebenfalls hauptsächlich aus Leuten mit Helfer- und Schweitzer-Nostalgie-Syndrom als aus Leuten, die fähig sind, dieses Spital unter nicht ganz einfachen Bedingungen erfolgreich zu führen. Patrick, seit einem Monat hier, versuchte dann erfolglos in den verschiedenen Ministerien das zugesagte Geld aufzutreiben und stiess auf zwar stets kopfnickenden, jedoch bedauernden Granit. Die Angestellten rechneten natürlich mit diesem Geld, können ohne es ihr Weihnachtsfest und die Geschenke nicht bezahlen. Grosse Unruhe im Saal. Einige Voten von den Angestellten, zunehmender Unmut breitet sich aus. Patrick zieht sich zurück. Die chefs des services sollen eine Abstimmung vornehmen und danach als Repräsentanten die Meinung der Angestellten beim Direktor vertreten. Nach Afrikanischer Art begannen in Grüppchen zu 3-4 die Leute wild gestikulierend zu lamentieren und schimpfen. Justin, Eric und ich machten uns für die Morgenvisite aus dem Staub. Dazwischen kam mal die Meldung, die Polyklinik sei blockiert. Um 10 Uhr zurück in der Polyklinik sassen alle tatenlos auf den Bänken herum, niemand wusste was nun läuft. Die Chefs des Services waren offenbar beim Direktor am Verhandeln. Irgendwie behandelte ich doch noch zwei Patienten. Dazu einen Tuberkulose-Patienten vom vorherigen Tag, der noch einen Gardien organisieren musste, um hospitalisiert zu werden. Der sass zuerst auch einige Stunden hustend inmitten all der anderen Patienten, weil Justin ihn anders als ich nicht in die Kopp schicken wollte, solange er nicht wusste, wer in der Kopp (= die Innnere Medizin) arbeitete. Ich bekam einen Rüffel, der Patient hustete noch eine Stunde weiter, brilliant. Ich faltete mit Pauline, einer Patientin aus der Psychiatrie, die in der Poli jeweils die Abfalleimer leert, einige dänische Papiersterne. Und gegen 12 Uhr schaute ich nochmals in meinem Büro vorbei - die Infirmères waren dort inzwischen am Kochen und Essen...
Die Köchinnen des Réfectoires waren natürlich auch am Streiken - gibts doch was zu Essen? Solange, die Frau des Technikverantwortlichen sowie Sophie die Freundin des Logistikers versuchten in die Bresche zu springen, sogar Schoggi-Mousse gabs. Nur ist fast niemand erschienen, weil alle annahmen, dass es eh nichts gäbe. Für diejenigen anderen Spitalangestellten, die mittags jeweils im Réféctoire ihre afrikanischen Essensrationen abholen kommen, gabs ausnahmsweise Notrationen des deutschen Militärs.
Gegen halb 3 Uhr nachmittags wurde eine Entscheidung erwartet. Als es keine Entscheidung gab, packte ich meine Sachen und ging in die Stadt einkaufen. Falls es Arbeit gäbe, konnte ich ja wieder zurück kommen. Es gab keine. Mal schauen, wie es morgen weitergeht.
23/12/2006: Auf Druck des Personals wurde der Ende-Jahr-Bonus dann doch ausbezahlt. Weil hier alles in Bargeld ausbezahlt wird, waren Pierre und Marie von der Administration bis spätabends daran, die Berge an Banknoten, die sie "notfallmässig" bei der Bank abhoben, zu bündeln und ans Personal auszubezahlen, das vor den durch die Sécurité gesicherten Türen der Adminstration wartete - und dazwischen immer wieder mal pöbelte, damit man sie auch nicht vergessen würde.

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